Cavaliere Blu
alias Adrian Peter

Codex Insecta
Grosseto, 2025
INSEKTEN, FLUCH UND SEGEN
Vor 30.000 Jahren sind erste Insektendarstellungen bekannt ... mit Kohle auf Stein gemalt. Insekten können ein Segen, aber auch ein Fluch für uns Menschen sein. Sie können ganze Ernten vernichten und damit schlimmste Hungersnöte auslösen, sie können Krankheiten wie die Pest verbreiten und sie können aber auch selbst Nahrungsmittel sein oder, wie die Honigbienen, ein begehrtes Nahrungsmittel herstellen. Und ohne die gigantischen Bestäubungsleistungen vieler Insekten würde im wahrsten Sinne des Wortes auf unseren Bäumen und in unseren Gärten nichts wachsen.
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GÖTTLICHE INSEKTEN UND SUPERWESEN SEIT DER SINTFLUT
Der babylonische Himmelsgott hiess Anu. Im alten Amerika bedeutet Anu in der Hopi-Sprache Ameise. Das Wort Naki kann mit „Freunde“ übersetzt werden. So wird Anu-Naki in der Hopi-Sprache als „Freunde der Ameise“ übersetzt. Das bedeutet, dass auf zwei verschiedenen Kontinenten zwei fast identische Bezeichnungen für die transzendentale Rasse der „Superwesen“ auftauchten, die in der Sintflutlegende die Hauptrollen spielten. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die sumerischen Anunnaki vom Himmel kamen und die Ameisenmenschen aus den unterirdischen Komplexen unter dem Grand Canyon. Einige Präastronautiker glauben auch, dass die in den Hopi-Mythen dargestellten Ameisenmenschen auch die Kultur Ägyptens beeinflusst hätten. Einige der alten Hopi-Petroglyphen sollen der afrikanischen Ameisenart, der Pharao-Ameise ähneln. Nach diesen Theorien erinnert sie an eine kleine Version des Pharaos Echnaton, der für sein seltsames, außerirdisches Aussehen berühmt ist.
INSEKTEN WÄREN DEMZUFOLGE MISCHWESEN
Als Symbol der Seele erscheint der Schmetterling sowohl in der abendländischen Antike als auch in der Kunst des Fernen Ostens. Der kurzlebige, fragile Schmetterling verweist auf die Schönheit und Vergänglichkeit der menschlichen Existenz. Die Libelle gehört zu den räuberischen Insekten und folgt dementsprechend einer anderen Symbolik. Hier ist es der Kontrast zwischen dem schlanken, zerbrechlich wirkenden Körper mit schimmernden durchscheinenden Flügeln und einer als grausam empfundenen Jagdpraxis, bei der das Beuteinsekt buchstäblich in der Luft zerrissen wird.
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Schmetterling und Libelle wurden in der Kunst um 1900 gleichermaßen mit populären Klischeebildern des Weiblichen assoziiert, so dass eine Vielzahl von Mischwesen aus Frau und Insekt den Bildkosmos des Jugendstils bevölkert. Dabei verkörpern die beiden Tiere verschiedene, ja sogar antagonistische Frauentypen des Fin de Siècle:
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Der zarte Schmetterling steht für die Zerbrechlichkeit der „Femme fragile“, der Giacomo Puccini mit seiner Oper „Madame Butterfly“ ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. Wie der Schmetterling ist die „Femme fragile“ ätherisch und flüchtig, für den Mann nicht greifbar, und kann nur um den Preis ihres Todes dauerhaft in Besitz genommen werden. Ganz anders die „Femme fatale“, deren Schönheit selbst todbringend ist. Die vermeintliche Bedrohung, die von ihrer promiskuitiven Sexualität ausgeht, wird im Bild der räuberischen Libelle gebannt. So kombiniert Laliques „Femme libellule“ die zerbrechliche Schönheit einer jungen Frau mit den krallenbewehrten Klauen eines Raubtiers zu einem rätselhaft ambivalenten Fabelwesen.
VOM JÜNGSTEN GERICHT ZU HOKUSAI UND ALLEN JONES
Der niederländische Maler Hieronymus Bosch stellt auf dem linken Flügel seines Triptychons "Das Jüngste Gericht" die gefallenen Engel als Insekten dar. Die abtrünnigen Engel stürzen aus einer großen Wolke auf den Garten Eden zu. Im Herabstürzen verwandeln sie sich immer deutlicher zu buntschillernden Insekten, die den kämpfenden Erzengel Michael umschwirren. In Franz Kafkas beängstigender Erzählung "Die Verwandlung" findet sich Gregor Samsa eines Morgens in einen Mistkäfer verwandelt. In seiner neuen Erscheinungsform von niemandem mehr akzeptiert, wird er misshandelt und stirbt schließlich. Robert Musil, der hyperrealististische Schriftsteller verewigte in seiner Erzählung „das Fliegenpapier“ den grausamen Tod der Insekten auf dem giftigen Klebepapier namens „Tangle foot“. Aber nicht nur Kafka und Musil, Micky Maus, Fritz the Cat, Rammstein, Baudelaire, Henoch, Huellebecq und Murakami haben mich inspiriert sondern vor allem die Zeichner Janssen, Stanton, Crumb, Willie, Hokusai und Allen Jones.